Stellungnahme Spielabsagen – Bastian Brezinski

Wie umgehen mit Spielabsagen?

Ein Statement für mehr Professionalität im American Football

„Wieder einmal sind wir in der der Rolle der Leidtragenden. Zum wiederholten Male sagt uns ein Gegner in der Woche vor einem Heimspiel ab. Nun dürfen wir uns um die Rückabwicklung kümmern: Bestellungen stornieren, Dienstleistern absagen, Sponsoren vertrösten. Aber vor allem stehen wir vor der Frage: Macht eine Verlegung Sinn? Für uns, für den Gegner, für den Sport?

Zum Hintergrund: Tritt eine Mannschaft zu einem Spiel nicht an, wird sie automatisch aus dem Spielbetrieb genommen, alle Spiele werden gegen sie gewertet und man muss im kommenden Jahr eine Liga tiefer spielen. Zusätzlich setzt es noch eine saftige Geldstrafe vom Verband. Viele Vereine erholen sich von so einem Schlag nicht mehr oder brauchen Jahre, um das vorherige Niveau wieder zu erreichen. Dem Zwangsabstieg kann man entgehen, indem man zu allen Spielen mit Minderbesetzung anreist und Freundschaftsspiele bestreitet. Die einzige Chance weiterhin am Spielbetrieb teilzunehmen, ist die Beantragung einer Verlegung des Spieles, der der Gegner zustimmen muss. Somit wird also die Verantwortung, ob meine Saison beendet ist oder nicht in die Hände des Gegners gelegt. Vor dieser Entscheidung, die weitreichende Folgen für die gesamte Liga hat, standen wir nun. Unsere erste Reaktion war: „Verlegung, auf keinen Fall!“ Wer sagt uns denn, dass zum neuen Termin alle unsere Spieler und Trainer zur Verfügung stehen. Wollen wir wirklich unseren sportlichen Erfolg riskieren, nur damit eine andere Mannschaft nicht aus der Wertung genommen wird. Aber genau das ist der Knackpunkt. Zieht ein Gegner so früh in der Saison zurück, fallen allen Mannschaften in der Staffel zwei Spiele weg, uns zusätzlich auch das Rückspiel. Und in einer Saison, in der eh nur acht Spiele anstehen, machen zwei Spiele mehr oder weniger einen großen Unterschied.

American Football ist ein Sport, der seinen Sportlern einiges abverlangt, nicht nur körperlich. Die Ausrüstung ist teuer, man sollte zusätzlich zum Mannschaftstraining auch im Gym an sich arbeiten, um Verletzungen vorzubeugen, durch den bayernweiten Spielbetrieb ist man am Spieltag den ganzen Tag unterwegs. Von den Nachwirkungen am Folgetag ganz zu schweigen. Viele Spieler haben Probleme das mit ihren beruflichen Verpflichtungen in Einklang zu bringen. Und trotzdem sind die Gamedays die Belohnung für die harte Arbeit. Mindestens sechs, meist sogar sieben Monate wird nur trainiert, um dann, wenn es blöd läuft, nur sechs Spiele zu bestreiten. Da ist es verständlich, dass die Motivation flöten geht.

Nicht nur die Spieler fiebern den Spielen hingehen, auch wir Funktionäre brauchen diese Spiele. Die Vereine brauchen sie. Die Einnahmen aus den Heimspielen sind eine wichtige Einnahmequelle und im Budget festeingeplant. Jedes Heimspiel mehr erhöht den Handlungsspielraum für neue Anschaffungen und Benefits für die Mitglieder. Mit mehr Heimspielen ist auch eine bessere Vermarktung möglich. Viele potenzielle Sponsoren schrecken davor zurück Football-Vereine zu unterstützen, weil sie zu wenig Möglichkeiten zur Präsentation ihres Unternehmens bekommen. Die direkte Ansprache ist oftmals doch mehr wert als eine Verlinkung auf Social Media.

Leider stoßen die Vereine mit der Bitte um eine Erweiterung des Spielplans seit Jahren auf taube Ohren. Möglicherweise sieht es der Verband nun sogar als eine Bestätigung, wenn Vereine früh in der Saison nicht genug Spieler zusammen bekommen. Aber ist es nicht vielleicht eher so, dass Spieler aufhören Football zu spielen, weil ihnen die Anreize fehlen? Hoher Aufwand, wenig Spiele und für was? Dieses Jahr war die Bayernliga ursprünglich mit 20 Teams und am Ende einem garantierten Aufsteiger in die Regionalliga geplant. Die meisten Teams hätten es nicht mal bis in die Playoffs geschafft und das mit Ansage. Zu klar waren die Leistungsunterschiede schon im Vorjahr und in diesem Jahr steht zu befürchten, dass es ebenso endet. Allein am ersten Spieltag gab es in vier von sechs Spielen einen Vorsprung von über 30 Punkten für das Siegerteam. Alle waren eigentlich zur Halbzeit bereits entschieden. Von den ambitionierten Teams schafft es aber nur eines raus aus der Liga. Der Rest muss im nächsten Jahr wieder alle Register ziehen, um seine Spieler zu motivieren.

Bastian Brezinski - 1. Vorstand

Was bedeutet das jetzt aber für unsere Entscheidung im Falle der Verlegungsanfrage? Wir haben uns letztendlich aus wirtschaftlichen, sportlichen und Fairness-Gründen entschieden einer Verlegung zu zustimmen. Wir hoffen, dass sich unser Gegner bis dahin erholt und auch die bis dahin folgenden Spiele unbeschadet überstanden hat und wir uns sportlich messen können. Sollte uns dieses Jahr allerdings ein weiterer Verlegungswunsch erreichen, werden wir diesen aber mit ziemlicher Sicherheit nicht mehr erfüllen.

Für die kommende Saison braucht es dringend eine Umstrukturierung der Ligenstruktur in Bayern. Für mehr Wettbewerb, für mehr Attraktivität, für mehr American Football! Entweder durch einen weiteren garantieren Aufstiegsplatz in die Regionalliga und eine Verschlankung der Bayernliga oder aber durch eine deutliche Reduzierung der Bayernliga auf 12 Teams mit 10 garantierten Spielen für alle Teams, exklusive der Playoffs. Sonst werden uns langfristig noch mehr Vereine wegbrechen. Natürlich sind auch die Vereine gefordert gründlich zu überlegen, ob und in welcher Liga eine Teilnahme am Spielbetrieb mit dem aktuellen Spielerpotenzial Sinn macht. Die Hoffnung auf Zulauf während der Saison ist doch eher utopisch und sollte keinen Einfluss auf die Entscheidung haben. Wir Vereinsfunktionäre sollten uns bewusst sein welche Folgen unsere Entscheidungen nicht nur auf unseren, sondern auch auf alle anderen Vereine haben können. Das haben mir die letzten Tage deutlich gemacht.“


– Bastian Brezinski